Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen

In Blog by Johann G. Böhmer

Ein Paradebeispiel dafür, mit welch unterschiedlicher Tendenz die Presse Sachverhalte darstellt oder kommentiert, ist die Seite 1 der Lokalausgabe der FFB-SZ vom 29.12.2020.

Links oben steht an der Stelle, die früher „Streiflicht“ hieß, unter den Überschriften „Lastenrad-Förderung“ und „Wertvoller Zuschuss“ ein Kommentar von Ariane Lindenbach zur Lastenrad-Förderung in Gröbenzell. Der Kommentar greift einen Bericht im Innenteil der Ausgabe über eine Gemeinderatssitzung auf, die allerdings schon vier Wochen zurück liegt. In dem Kommentar wird die Entscheidung des Gröbenzeller Gemeinderats gelobt, zuerst einmal Vorschläge der Verwaltung abzuwarten, bevor über einen gemeinsamen Antrag des Verkehrsreferenten der GRÜNEN Walter Voit und des AGENDA 21 Arbeitskreises Verkehr vom September 2020 abgestimmt wird, die Anschaffung von Lastenrädern mit 300 €/Einzelperson und bei gemeinsamer Anschaffung mit 500 €/Gemeinschaft zu fördern. Man erfährt in dem Bericht im Innenteil, dass die Rathausverwaltung im Zusammenhang mit der Mitgliedschaft der Gemeinde zum Arbeitskreis fahrradfreundlicher Kommunen derzeit ohnehin verschiedene Förderprogramme und Modellprojekte ausarbeitet, um den Fahrradverkehr zu fördern.

https://www.sueddeutsche.de/muenchen/fuerstenfeldbruck/kommentar-wertvoller-zuschuss-1.5159346

https://www.sueddeutsche.de/muenchen/fuerstenfeldbruck/groebenzell-foerderungen-fuer-das-lastenfahrrad-1.5159378

So weit so gut. Als Leser nimmt man den Eindruck mit, dass sich in Gröbenzell um wichtige Dinge gekümmert wird. Bürgermeister Schäfer, selbst erster Lastenradfahrer in Gröbenzell, wird der Bericht auf jeden Fall freuen.

Sehr viel kritischer kommt da allein schon wegen seiner Überschrift „Politischer Streit um Grunderwerb für Radweg“ der Hauptartikel in der Mitte dieser Seite daher.

https://www.sueddeutsche.de/muenchen/fuerstenfeldbruck/grafrath-politischer-streit-um-grunderwerb-fuer-radweg-1.5159350

Der Untertitel erläutert, dass Gemeinderäte aus Grafrath (hauptsächlich GRÜNE) rügen, Gemeinde und Landkreis hätten einen zu hohen Preis für den Grunderwerb für eine Radstrecke bezahlt, dass aber Landratsamt und Bürgermeister den Vorwurf zurückweisen. Es liegt also Zündstoff in der Luft.

Was ist passiert? Um was geht es? Zunächst verheißt schon der Name Martin Runge, Zweiter Bürgermeister der Gemeinde Gröbenzell und Fraktionsvorsitzender der GRÜNEN im Kreistag und in den beiden Unterzeilen der Überschrift als Wortführer der Kritiker genannt, nichts Gutes für den oder die Kritisierten. In dem Bericht selbst erfährt man gleich im Anfangssatz, dass es um einen Grundstücksverkauf eines Grafrather Landwirts und CSU-Gemeinderatsmitglieds an die Gemeinde Grafrath bzw. den Landkreis geht, wobei der Verfasser des Artikels Peter Bierl gleich schreibt, wo der Hase im Pfeffer liegt: der Verkäufer „scheint kein schlechtes Geschäft gemacht zu haben“. Man erfährt ferner, dass die SZ beim Landratsamt nachgefragt hat, wie es zu dem der SZ offenbar bekannten (und in dem Bericht mitgeteilten) Kaufpreis von xy € für 9.000 qm gekommen ist, und dass das Landratsamt geantwortet habe, der Grunderwerb sei auf der Grundlage einer Wertschätzung (richtiger wäre wohl Verkehrswertermittlung) des Gutachterausschusses erfolgt, der aus Vergleichspreisen abgeleitet Spannen für zwei unterschiedliche Lagen aufgezeigt habe. Daran habe man sich gehalten.

Es wird allerdings auch beim zweiten Lesen nicht ersichtlich, dass irgendwelche Zweifel an der Richtigkeit und Zuverlässigkeit dieser Auskunft des von der SZ befragten Vertreters des Landratsamts bestehen, sodass man sich bereits zu fragen beginnt, was eigentlich der Anlass dieses Artikels sein soll.

Der Bericht der FFB-SZ  nennt aber dann weitere Details aus dem Kaufvertrag – der Bericht hebt hervor: „der der SZ vorliegt“ –  und berichtet: erstens, dass im Fall einer späteren Baulandausweisung von zwei anderen Grundstücken des Verkäufers die jetzt verkauften Flächen  bereits auf eine dann etwa entstehende Kompensationsverpflichtung flächenmäßig angerechnet würden, und zweitens, dass im Gegenzug eine Wegedienstbarkeit für den Verkäufer auf den veräußerten Flächen eingetragen wird mit dem Inhalt, dass der 900 m lange veräußerte Streifen nicht nur als Radweg für die Allgemeinheit, sondern auch als Wirtschaftsweg  für die Landwirtschaft des Veräußerers hergestellt wird und von diesem benutzt werden kann. Drittens monieren Runge und die anderen Kritiker, dass die Erwerber, Gemeinde und Landkreis, auch die Anwaltskosen des Veräußerers, die diesem im Zusammenhang mit der Beratung und Betreuung zu diesem Grundstückserwerb der öffentlichen Hand entstanden sind, im Vertrag übernommen haben. Man erfährt weiter, dass die Kritiker aus Grafrath bei der Abstimmung über den Kauf im Gemeinderat unterlegen sind und dass der Fraktionsvorsitzende der GRÜNEN im Kreistag Martin Runge schon im August zu diversen Punkten Aufklärung verlangt habe.

Man fragt sich allerdings, was an den genannten Regelungen anstößig sein soll:

  1. Die Kaufpreisfindung entspricht, soweit ersichtlich, den allgemein bekannten, seit Jahrzehnten bewährten gesetzlichen Regeln.
  2. Die Zusatzvereinbarungen erscheinen vom Gesichtspunkt der Besitzstandswahrung her, den jeder vernünftige Landwirt im Interesse vor allem der Nachfolgegenerationen verfolgt, dem Grundsatz nach verständlich. Es ist doch völlig klar, dass ein von einem Erwerbswunsch einer Kommune oder eines Landkreises oder des Staates betroffener Landwirt mögliche Folgewirkungen bedenkt und ungünstige Folgen nach Möglichkeit ausschließen will, z. B. Erschließungsnachteile oder mögliche Streitfragen, auch wenn sie erst in ferner Zukunft oder in Notfällen auftauchen mögen.

Scheinbar besteht hier tatsächlich ein gewisser Bedarf für die Nutzung des Radwegs auch als Wirtschaftsweg, sonst hätte die Gemeinderatsmehrheit dem nicht zugestimmt. Eine solche (verträgliche) Mehrfachnutzung ist auch unter ökologischen Aspekten (Vermeidung unnötiger Versiegelung) durchaus sinnvoll. Dass zu diesem Zweck der Weg stärker befestigt wurde als es nur für einen Radweg nötig gewesen wäre, erklärt das Landratsamt nachvollziehbar damit, dass damit einem zu schnellen Verschleiß vorgebeugt werden soll. Nicht zuletzt erscheint auch die Tragung der Anwaltskosten des Veräußerers als etwas völlig Normales.

Um aus der Sache einen Skandal zu machen, müßten die FFB-SZ und die Kritiker des Geschäftes, allen voran Runge, schon noch etwas nachlegen.

Aus speziell Gröbenzeller Sicht sei noch angemerkt, dass einen als Gröbenzeller natürlich die steten, durchaus bemerkenswerten Aktivitäten unseres Ersten Bürgermeisters auf dem Gröbenzeller Immobilenmarkt sehr viel mehr interessieren würden als dieser Grunderwerb für Radwegflächen in Grafrath. Diese Aktivitäten haben, soweit bekannt, mit dem Einkauf des Grundstücks Alte Bahnhofwirtschaft/Hexe entweder im Jahr 2003 oder erst im Jahr 2007/2008 – es gibt hier unterschiedliche Darstellungen – zu einem sehr günstigen Preis von der Brauerei Maisach begonnen und wurden 2011 und damit drei Jahre nach Beginn von Schäfers Gemeinderatstätigkeit mit dem Kauf des Grundstücks Liegnitzer Str. 12 von der Gemeinde und der Errichtung eines Boardinghauses unter der Amtszeit noch von Dieter Rubenbauer als Erstem Bürgermeister intensiviert. Die Aktivitäten Schäfers sind dann in der Amtszeit bereits als Bürgermeister Ende 2016 weitergegangen mit dem Verkauf der Hexe. Die im Gesetz festgelegte 10-jährige steuerliche Spekulationsfrist erlaubte eine steuerneutrale Realsierung der Wertsteigerung, die zu einem wesentlichen Teil auf die 2014 abgeschlossene Bebauungsplanänderung zurückgeht, nur dann, wenn der Einkauf schon 2006 oder früher erfolgt ist, sodass wohl eher 2003 als richtiges Einkaufsdatum unterstellt werden kann. Die Aktivitäten Schäfers auf dem Gröbenzeller Grundstückssektor führten nach zuverlässigen Quellen Ende 2019 zu dem Kauf eines größeren, mit einer großen Halle bebauten Grundstücks im Gewerbegebiet direkt neben den Betriebsgrundstücken von Schäfer, auf denen er u.a seine Firma mit dem Schmutzmattenservice betreibt.

Da es sich bei diesen Grundstückstransaktionen entweder um private oder um betriebliche Grundstücksgeschäfte von Herrn Schäfer handelt, gehen sie die Allgemeinheit zunächst einmal nichts an. Herr Schäfer kann natürlich genauso wie jeder andere Bürger verlangen, dass seine Privatsphäre und seine Sphäre als Geschäftsmann grundsätzlich respektiert werden. Herr Schäfer ist jedoch gleichzeitig eine Person des öffentlichen Lebens. Bei solchen Personen bejaht die Rechtsprechung ein berechtigtes Interesse an Informationen, die in die Privatsphäre hineinreichen. Solche Personen müssen sich daher weitergehende Einschränkungen ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts gefallen lassen als Privatpersonen. Der Grund ist die Gefahr von Machtmißbrauch.

Laut Bericht der FFB-SZ vom 5.2.2016 „Kultlokal „Die Hexe“ vor der Schließung“ hat sich Schäfer, seitdem er Bürgermeister der Gemeinde Gröbenzell ist, also seit März 2014, aus allen Geschäften der Familienunternehmen zurück gezogen. Schäfer hatte dies im Wahlkampf für die Bürgermeisterwahl 2014 mehrfach erklärt, um Befürchtungen einer Interessenkollision im Fall seiner Wahl zu zerstreuen. Der genannte FFB-SZ-Bericht belegt, dass Schäfer diese Aussage getroffen hat.

Tatsächlich scheint aber Schäfer auf dem örtlichen Grundstücksmarkt weiterhin sehr aktiv zu sein. Vor diesem Hintergrund müssen alle Alarmglocken schrillen, wenn Martin Runge, der Schäfer zu seiner Bürgermeisterkandidatur motiviert hat, auf dem Grundstückssektor in einer anderen Kommune einen Mißbrauch behauptet.

Hat denn die SZ keine Möglichkeit eines Zugriffs auf die oben genannten Verträge, die Martin Schäfer auf dem Gröbenzeller Grundstückssektor geschlossen hat ? Schirmt der zweite Bürgermeister Runge sich und Martin Schäfer vor unbequemen Nachfragen zum Grundstückserwerb von Ende 2019 im Gewerbegebiet dadurch ab, dass er der Presse ersatzweise andere zum Fraß vorwirft, in diesem Fall nun diesen Grafrather Landwirt und CSU-Gemeinderat ?

Bleibt noch die Frage, wie die FFB-SZ zu diesem Grafrath betreffenden Kaufvertrag kommt. Bekanntlich werden Beschlüsse einer Gemeinde über Grundstücksgeschäfte immer nur in nichtöffentlicher Sitzung gefasst. Ergänzend besteht eine Verpflichtung von Gemeinderäten über Gegenstände, die ihnen bei ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit bekannt werden – das sind vor allem die, die Gegenstand einer nichtöffentlichen Sitzung waren -, Verschwiegenheit zu bewahren, Art. 20 Abs. 2 Sätze 1 und 2 der Bayer. Gemeindeordnung (GO). Also muss es hier irgendwo eine undichte Stelle geben. Die SZ kennt die Verschwiegenheitsverpflichtung von Gemeinderäten (und analog von Kreisräten) natürlich auch. Die Verschwiegenheitsverpflichtung in der Bayerischen Gemeindeordnung dient nicht nur dem Selbstverwaltungsrecht, sprich einer geordneten und effektiven Verwaltungstätigkeit der Kommune, und dem Datenschutz als solchem, sondern sie ist auch eine wichtige Ergänzung zum individuellen Recht auf informationelle Selbstbestimmung eines privaten Vertragspartners. Was veranlasst die SZ daher in diesem Fall, aus der Vertraulichkeit unterliegenden Verträgen zu zitieren ? Sind die Anhaltspunkte für eine Gesetzeswidrigkeit oder umgangssprachlich gesagt: für eine Mauschelei wirklich groß genug ?

Und was bedeutet das für die vielen künftigten Grundstückgeschäfte, die die öffentliche Hand für alle möglichen Zwecke ständig tätigt ? Oder muss ein privater Vertragspartner sowieso immer mit Durchstechereien und daraus resultierenden Unanehmlichkeiten rechnen ?